Der erfahrene Laufcoach und ehemalige nationale Spitzenläufer Peter „Piet“ Könnicke begleitet auch in diesem Jahr die Läufer des Taiwan Excellence-Teams beim BMW Berlin-Marathon. Mit einem umfassenden Trainings- und Ernährungsplan bereitet er die Läufer optimal auf die anspruchsvolle Strecke vor.
Piet, Du warst selbst jahrelang erfolgreicher Langstreckenläufer. Wie bist Du generell zum Laufen gekommen?
Ich habe irgendwann im Schulsport gemerkt, dass mich die für eine gute Note geforderten 1.000 Meter nicht anstrengen – und mir sogar Spaß machen. Mein erster Förderer war mein Sportlehrer: Der holte mich mitten aus dem Unterricht, weil er erfahren hatte, dass der Sportladen in unserer damaligen Kreisstadt gute Turnschuhe geliefert bekommen hatte, was damals in der DDR eine Rarität war. Die Schuhe waren zwar eine Nummer zu groß und aus heutiger Sicht überhaupt nicht zum Laufen geeignet, aber sie waren mein ganzer Stolz und haben mich wahnsinnig motiviert, laufen zu gehen – mit 15 oder 16 Jahren habe ich dann begonnen, regelmäßig zu trainieren.
Du stehst nun bereits zum zweiten Mal in Folge dem Läuferteam von Taiwan Excellence als Coach zur Seite. Wie sieht Dein Trainingsplan für die Läufer des Teams in diesem Jahr aus?
Wir haben ja Läufer ausgewählt, die eine gute Fitness haben und denen das Laufen nicht fremd ist. Ich halte es für sehr wichtig, dass man über die Erfahrung von zwei, vielleicht sogar drei Jahren regelmäßigen Lauftrainings verfügt, um einen Marathon zu laufen. Ich versuche in den Wochen, in denen ich mit den Läufern des Taiwan Excellence-Teams trainiere, so schnell wie möglich herauszufinden, wie gut ihre Ausdauer ist. Denn ein Marathon ist eine extreme Ausdauer- und Energieleistung. Daher sind Dauerläufe bei meinem Training zunächst das A und O. Dabei führe ich mehr und mehr an eine marathonspezifische Belastung heran, das heißt, an lange Strecken von 32 bis 35 Kilometern. Sehr gern arbeite ich auch mit Fahrtspielen – ein spielerisches Trainingselement, bei dem das Lauftempo während eines Dauerlaufs mehrmals gesteigert und wieder verringert wird.
Entgegen der Meinung mancher Trainingskollegen, denen zufolge Fahrtspiele eher für erfahrene Läufer geeignet sind, stellen sie für mich ein Trainingsmittel dar, bei denen die Läufer selbst viel Gefühl für Tempo und Distanzen entwickeln und schnell Fortschritte spüren können. Dehnungs-, Kräftigungs- und Stabilisierungsübungen gehören für mich in jede Trainingswoche.
Wie trainierst Du Läufer, die ihre persönliche Bestzeit knacken wollen? Gibt es hier einen speziellen Trainingsplan?
Wer mit dem Laufen beginnt, wird zunächst sicher eine Reihe von Bestzeiten aufstellen, wenn er dranbleibt und regelmäßig trainiert. Irgendwann kommen wir aber in einen Leistungs- und auch Altersbereich, in dem sich Bestzeiten nicht mehr ganz so einfach aufstellen lassen. Und da ist ein Training, das individuelle Möglichkeiten und Rahmenbedingungen wie Job, Familie und Zeitbudget berücksichtigt, wichtig, wenn man leistungsorientiert laufen möchte. In der Tat sind meine Trainingspläne dann speziell, weil individuell. Wobei es mir gar nicht so sehr um Bestzeiten geht, sondern darum, das Leistungsvermögen auszuschöpfen, das unter Berücksichtigung aller Umstände – auch des Alters – möglich ist.
Wie weit sollte die Distanz des längsten Trainingslaufs in der Vorbereitungsphase sein?
Wie oben schon erwähnt, steigern sich die Umfänge eines Laufs bei einer normalen Marathonvorbereitung bis zu 32 oder mitunter 35 Kilometern. Voraussetzungen hierfür sind
natürlich Faktoren wie eine gute Gesundheit, umfassende allgemeine Fitness, optimale
Ausdauergrundlage und ausreichende Belastungsverträglichkeit. Verläuft das Training ohne
Probleme und nach Plan, sollte der letzte, ganz lange Lauf drei Wochen vor dem Marathon
stattfinden.
Ernährung spielt insbesondere in den letzten Wochen vor dem Marathon eine wichtige Rolle.
Welche Ernährungstipps gibst Du den Läufern?
Gute Ernährung sollte nicht nur auf die Zeit vor einem Marathon reduziert werden, sondern immer Bestandteil unseres Alltags sein. Dabei ist es wichtig, dass sie gesund ist, Spaß macht und Energie liefert. In umfangreichen Trainingsphasen – wie bei einer Marathonvorbereitung – gehen wir häufig viel bewusster damit um, was und wann wir essen – dieses Bewusstsein sollte immer unser Maßstab sein. Damit wir durch die Ernährung mit allen grundlegenden Nährstoffen wie Kohlehydraten, Fetten, Eiweißen sowie ausreichend Vitaminen und Mineralien versorgt sind, eignet sich eine hauptsächlich pflanzenbasierte Ernährungsweise. Gute Kohlehydrate durch Vollkornprodukte, gute Fette durch wertvolle Öle und Eiweiß durch Fisch, Fleisch und Hülsenfrüchte, zudem Obst und Gemüse – das macht eine ausgewogene Ernährung aus, sodass man keine spezielle „Marathondiät“ braucht.
Wie sollte die letzte Woche vor dem Marathon idealerweise aussehen?
Ganz einfach: Viel Ruhe, möglichst wenig Stress und ausreichend Schlaf. Läufer sollten die freie Zeit genießen, entspannt mal einen Kaffee trinken gehen oder auch einen ruhigen Spaziergang machen. Wichtig ist es, darauf zu achten, sich nicht noch einen Infekt einzufangen, denn im austrainierten Zustand, wenn der Körper etwas zur Ruhe kommt, steigt die Infektanfälligkeit. Es gilt also,Situationen zu meiden, in denen gehustet und geniest wird – und vielleicht auch mal mit einem höflichen Hinweis beim Guten-Tag-Sagen aufs Händeschütteln verzichten.
Worauf sollte ein Marathonläufer in seinen letzten Trainingsläufen achten?
In der letzten Trainingswoche passiert nicht mehr viel. Zu diesem Zeitpunkt geht es vor allem darum, sich gut zu erholen. Gar nichts zu machen, wäre aber auch falsch, denn dann wird der Körper schnell zu müde. Durch kurze, lockere Dauerläufe bleibt der Organismus in Schwung und leistungsbereit. Das Vertraute zu machen, also zu laufen, hilft auch gegen die Nervosität und Aufregung. Manche Läufer entscheiden sich drei oder vier Tage vor dem Marathon für eine Vorbelastung, indem sie über wenige Kilometer im geplanten Renntempo oder auch etwas schneller laufen. Dabei sollte man jedoch nichts erzwingen und immer daran denken: Wenn sich so ein Lauf zäh anfühlt und die Beine nicht frisch sind, dann ist das keine Aussage für den Marathon ein paar Tage später. Erst dann gilt es.
Wie, meinst Du, wirken sich die Teamzugehörigkeit und insbesondere die Integration der Läufer aus Taiwan und Deutschland auf die Motivation auf der Rennstrecke aus?
Auch wenn es oft heißt, dass Läufer Einzelsportler sind, so ist das Gruppenerlebnis sowohl im
Training als auch in einem Wettkampf besonders motivierend. In einer Trainingsgruppe zu laufen, macht Spaß, ist gesellig und hilft, die Leistung zu verbessern. Vor einem Lauf oder in Ergebnislisten zu sehen, dass mehrere Läufer eines Vereins oder eines Teams am Start sind, stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl ungemein. Ich erlebe immer wieder, wie bei Läufen vor dem Start, auf der Strecke oder im Ziel ein Gemeinschaftsgefühl entsteht, weil Vorfreude, Anstrengung und Leid sowie die Freude darüber, es bis ins Ziel geschafft zu haben, geteilt werden. Als sich die Läufer des Taiwan Excellence-Teams im vergangenen Jahr das erste Mal auf der Marathonmesse Berlin Vital – in diesem Jahr MARATHON EXPO – am Messestand von Taiwan Excellence persönlich getroffen haben, war sofort ein Gefühl von Zusammengehörigkeit zu spüren, weil man mit seinen Emotionen, seiner Aufregung und Anspannung, seiner Vorfreude und auch seinen Fragen nicht mehr allein war. Das hilft
und motiviert sehr.
Wie motivierst Du die Läufer des Taiwan-Excellence-Teams, weiterzumachen, wenn der Körper
nicht so will, wie man selbst?
Ich bereite sie mental darauf vor, dass eine solche Situation natürlich auftreten kann. In so einem Moment ist es wichtig und hilfreich, in die richtige Richtung zu denken, nämlich via Ziel. Jedem sollte bewusst sein, dass ein Marathon eine Extrembelastung ist, bei der die Signale des Körpers ernst genommen werden müssen. Die Gesundheit ist stets das Wichtigste.
Welche wichtigen Tipps gibst Du als Experte anderen Marathonläufern mit auf den Weg? Welche Fehler sollten Läufer dringend vermeiden, was empfiehlst Du?
Ein Marathon ist eine Geduldssache, denn der Weg ist lang. Daher ist es wichtig, sich seine Kräfte gut einzuteilen und nicht zu schnell zu beginnen. Stärke und Selbstbewusstsein entwickeln sich immer aus einem guten Training. Sich darauf zu verlassen und wirklich sein ganz eigenes Rennen zu laufen, egal was um einen herum passiert und wie schnell andere laufen, das ist die beste Strategie
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