Autokorsos, Hupkonzerte und Fahnen zur EM: Was ist erlaubt?

ARAG Experte Tobias Klingelh?fer informiert ?ber Spielregeln zur EM

Ausgelassen feiern – wenn nicht zur Fu?ball-Europameisterschaft (EM) im eigenen Land, wann denn dann? Besonders beliebt in den Spielst?tten sind Autos, die durch das ganze Stadtgebiet hintereinander herfahren, wobei Fahnen geschwenkt und die Hupe gedr?ckt wird, was das Zeug h?lt. Aber ist ein Konvoi ?berhaupt erlaubt? ARAG Experten Tobias Klingelh?fer erkl?rt die Spielregeln auf der Stra?e und ordnet die rollende Feierlaune rechtlich ein.

Wir erinnern uns an 2014, als wir Weltmeister wurden. In den Innenst?dten gab es lauter Autokorsos mit jubelnden Insassen. Sind die ?berhaupt erlaubt?
Tobias Klingelh?fer: Die Frage kann man mit einem ganz klaren „Jein“ beantworten. Denn eigentlich ben?tigt man f?r Autokorsos eine Erlaubnis der Stra?enbeh?rde, weil die als sogenannte „Sondernutzung des Stra?enraums“ eingestuft werden. Aber wie wir nat?rlich alle wissen, entstehen diese Kolonnen-Fahrten spontan aus der Jubellaune heraus. Und daf?r h?lt die Stra?enverkehrsordnung eine Eilfallregelung bereit (Paragraf 44, Absatz 2), die der Polizei einen Ermessenspielraum einr?umt. Daher k?nnen Autokorsos erlaubt sein und werden es erfahrungsgem?? ja auch.

Die ?blichen Verkehrsregeln gelten aber auch bei Autokorsos oder gibt es Ausnahmen?
Tobias Klingelh?fer: Die ?blichen Verkehrsregeln gelten nat?rlich auch f?r Autokonvois. Das hei?t konkret, dass keine roten Ampeln ?berfahren werden d?rfen, die Fahrer m?ssen sich an die vorgegebene Geschwindigkeit halten und es gelten die ?blichen Promille-Grenzen – die liegen bei 0,5 und f?r Fahranf?nger bei 0,0 Promille Alkohol im Blut. Doch Vorsicht: Schon ab 0,3 Promille muss man mit einer Strafe und F?hrerscheinentzug rechnen, wenn es alkoholbedingt zu Ausfallerscheinungen oder einem Unfall kommt. Und bei mehr als 0,5 Promille sind auch ohne Unfall ein Bu?geld, Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot f?llig.

Die Regeln gehen aber weiter: Alle Schilder, auch Stoppschilder, m?ssen w?hrend des Korsos beachtet werden. Die Anschnallpflicht gilt ebenfalls uneingeschr?nkt f?r alle Insassen des Fahrzeugs; und selbstverst?ndlich d?rfen nur so viele Personen im Auto sitzen, wie es Pl?tze mit Gurten gibt. Wird ein Mitfahrer bei einem Auffahrunfall verletzt, weil er nicht angeschnallt war, kann dies f?r ihn als Mitschuld gewertet werden. F?r die Folgen haftet er dann unter Umst?nden selbst.

H?ufig sieht man bei Autokorsos auch Menschen im Fensterrahmen des Autos oder auf der Motorhaube sitzen. Was gilt hierbei?
Tobias Klingelh?fer: Es ist absolut tabu, w?hrend der Fahrt auf den Fensterrahmen, die Motorhaube oder das Autodach zu klettern oder in einem Cabrio w?hrend der Fahrt zu stehen. Schon das Herauslehnen mit dem Oberk?rper aus dem Fenster des Fahrzeugs, um z. B. die Fahne besser schwenken zu k?nnen, ist eigentlich nicht erlaubt. Auch hier muss man damit rechnen, dass die Ordnungsh?ter einschreiten.

Apropos Fahne: Was gilt f?r sie w?hrend eines Autokorsos?
Tobias Klingelh?fer: Flagge zeigen geh?rt auf solchen Sportevents wie der Fu?ball-EM nat?rlich dazu. Auch in und auf Fahrzeugen. Doch der Fahrer darf w?hrend der Fahrt nicht durch das Tuch beeintr?chtigt werden. Dazu hei?t es in der Stra?enverkehrsordnung (Paragraf 23), dass Sicht und Geh?r des Fahrers nicht durch die Mitfahrer beeintr?chtigt werden d?rfen. Sollten die Mitfahrer vor Begeisterung so in Rage geraten, dass ein sicheres Fahren unm?glich ist, bleibt nichts anderes, als den Korso zu verlassen und die Fahrt zu beenden. Fahrzeuge d?rfen samt Fahne nicht breiter als 2,55 Meter sein und nicht l?nger als drei Meter. Das bedeutet, dass Fahnen, die hinter dem Fahrzeug her flattern mit einem zus?tzlichen hellroten Wimpel oder F?hnchen versehen werden m?ssen, sobald sie mehr als einen Meter ?ber die R?cklichter hinausreichen. Ragen sie seitlich mehr als 40 Zentimeter ?ber das Fahrzeug hinaus, m?ssen sie nachts theoretisch mit einer Beleuchtung versehen werden, wie man es von ?berbreiten Fahrzeugen kennt.

Was gilt f?r Fahrzeugschmuck am Fahrzeug? Erlaubt oder verboten?
Tobias Klingelh?fer: Wer w?hrend der EM am Auto Flagge zeigt, haftet f?r den Fall, dass die Fahne abbricht oder durch falsche Befestigung beim Folgefahrzeug Sch?den verursacht, denn der Auto-Schmuck hat keine T?V-Zulassung. Wer seine Motorhaube mit einer Flagge ziert, sollte sie f?r den Autokorso gut befestigen, aber am besten f?r l?ngere Fahrten, vor allem vor Autobahnfahrten, ganz entfernen. Das Material ist f?r derartige Belastungen nicht ausgelegt und es kann wirklich gro?en ?rger geben, wenn dadurch ein Unfall passiert.

Das gilt ?brigens auch f?r das Anbringen eines Plastikhalters von Fahnen im Fensterspalt. Die k?nnen sich nicht nur leicht w?hrend der Fahrt l?sen, sondern die Halter erh?hen zudem das Risiko eines Einbruchs. Und die Autoversicherung muss bei einem Einbruch durch das beflaggte Autofenster den Schaden unter Umst?nden nicht regulieren.

Ist die Sicht durch die Lieblingsfahne im Heckfenster eingeschr?nkt, kann man sich zwar vor?bergehend mit dem Blick in die Au?enspiegel behelfen. Nach dem Autokorso sollte man das Tuch aber auch von dort wieder rasch entfernen. Bei Frontscheibendekorationen wie Aufklebern oder Wimpeln stehen Halter und Fahrer in der Pflicht, f?r eine ungehinderte Sicht zu sorgen.

Sie sagten eben, „Sicht und Geh?r“ des Fahrers d?rften nicht eingeschr?nkt werden. Wie ist dann ein Hupkonzert w?hrend eines Autokorsos rechtlich zu bewerten?
Tobias Klingelh?fer: Grundlos auf die Hupe zu dr?cken ist grunds?tzlich eine Ordnungswidrigkeit. Geht es aber ansonsten gesittet zu, ist es durchaus m?glich, dass die Polizei nach einem Sieg bei einem Hupkonzert Milde walten l?sst, wie es ja auch schon 2014 der Fall war. Dennoch rate ich auch hier, den Bogen nicht zu ?berspannen und vor allem in Wohngebieten und zu sp?ter Stunde auf die Hupe zu verzichten. Aber da Deutschland ja am Freitag gegen Spanien schon um 18 Uhr spielt, sollte die Uhrzeit f?r ein Hupkonzert im Falle eines Sieges der deutschen Mannschaft in Ordnung gehen.

Darf ich eine Dashcam nutzen, um m?gliche Sch?den an meinem Auto zu dokumentieren?
Tobias Klingelh?fer: Dazu gibt es sogar ein richtungsweisendes Urteil aus 2017: Damals hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Video einer Dashcam als Beweismaterial zugelassen. Das Urteil bedeutet aber nicht, dass alle Videoaufzeichnungen der kleinen Kameras bei Gerichtsverhandlungen zugelassen werden m?ssen. Das permanente Filmen des Verkehrsgeschehens bleibt verboten, weil es gegen das Datenschutzrecht verst??t. Daher rate ich zu Ger?ten, die die Aufnahmen immer wieder ?berschreiben und l?schen. Speichern sollte man bei einem Unfall nur die relevanten Passagen. Gute Kameras nehmen bei einer Vollbremsung die Ersch?tterung wahr und speichern die entsprechende Filmsequenz sogar automatisch. Die Richter m?ssen in jedem Einzelfall abw?gen zwischen Aufkl?rungsinteresse, Schutz von Pers?nlichkeitsrechten, wie z. B. dem Recht am eigenen Bild, und informationeller Selbstbestimmung.

Um welches Urteil geht es genau?
Tobias Klingelh?fer: Im konkreten Fall, der zu diesem Umschwenken in der Rechtsprechung gef?hrt hat, konnten die beauftragte Sachverst?ndige den Unfallhergang nicht aufkl?ren. Auch Zeugenaussagen brachten keine weiteren Hinweise ?ber den Unfallverursacher. Dem Kl?ger wurde daraufhin die H?lfte des Gesamtschadens als Schadensersatz zugesprochen. Dieser wollte jedoch weitere 1.330 Euro erstreiten und verlangte, auch die Videoaufnahmen seiner Dashcam als Beweismittel zugelassen werden. Auf dem Video sieht man genau, wie die zwei Autos auf der Linksabbiegerspur zusammensto?en. Die ersten beiden Instanzen – das Amtsgericht als auch das Landgericht Magdeburg – lehnten aber ab. Ihr Argument: Durch die dauerhafte Videoaufzeichnung sei das Pers?nlichkeitsrecht des Unfallgegners betroffen. Und das ?berwiege in diesem Fall – auch, weil der Schaden relativ gering sei. Die Richter des BGH waren allerdings anderer Ansicht: Die Aufnahmen versto?en zwar gegen das Datenschutzrecht. Da aber Unfallbeteiligte ohnehin Angaben zu Person, Versicherung und F?hrerschein machen m?ssten, sei dies nachrangig. Die Aufzeichnungen seien deshalb als Beweismittel verwertbar. Die vorinstanzlichen Urteile wurden somit kassiert und der Fall wurde an das Landgericht zur?ckverwiesen (Az.: VI ZR 233/17).

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