Die „Kinder+Sport“-Initiative hat es sich zur Aufgabe erklärt, Kindern Spaß an der Bewegung zu vermitteln. Das Fahrrad ist dabei ein wichtiger Faktor. Im Rahmen der Deutschland-Tour richtet der Veranstalter jährlich diverse Radrennen für kleine Sportler aus. Thomas Geisler vom pressedienst-fahrrad hat mit seiner zweijährigen Tochter am Laufradrennen in Göttingen teilgenommen und berichtet über seine (und ihre) Erfahrungen.
(pd-f/tg) Mittagsschlaf? Erledigt. Laufrad? Eingeladen. Helm? Aufgesetzt. Dann kann“s ja losgehen. Auf den heutigen Tag haben meine zweijährige Tochter Lea* und ich seit vier Wochen hingefiebert. Die Deutschland-Tour macht Station in Göttingen und im Rahmenprogramm dürfen kleine Radfahreinsteiger ein Laufradrennen über 100 Meter auf der Zielgerade fahren. Für Lea die Möglichkeit, ihre neu gewonnene Laufrad-Leidenschaft auch einmal im „Ernstfall“ zu demonstrieren – wobei der Spaß und die Freude an der Bewegung für die Kinder im Vordergrund stehen soll.
Es kommen die ersten Zweifel
Vor dem Rennen steht allerdings erst einmal der Familienausflug. Zum Glück bietet unser Croozer-Fahrradanhänger durch einen speziellen Babysitz die Möglichkeit, auch die fünfmonatige Schwester mit zum Event zu nehmen. Und im Kofferraum ist genügend Platz für das Laufrad. Also dann, ab aufs Rad und los geht“s in die Göttinger Innenstadt. Die Vorfreude im Anhänger hält sich allerdings in Grenzen. Während meine kleine Tochter fröhlich vor sich hin quiekt, nuckelt Lea an ihrem Schnuller und sagt keinen Ton. Für sie äußerst ungewöhnlich. Normalerweise plappert sie, was das Zeug hält. Und einen Schnuller braucht sie nur zum Einschlafen. Mir schießen besorgte Gedanken durch den Kopf. War der Mittagsschlaf zu kurz? Ist sie krank? Gestern lief die Nase schon ganz schön dolle. Oder ist sie nervös? Steht sie unter Druck? Hat sie Angst? Verlange ich zu viel von ihr? Schließlich ist sie ja erst zwei Jahre alt. Aber andererseits war die Teilnahme am Laufradrennen ja ihre Idee. Also gewissermaßen. In einer Gute-Nacht-Geschichte ging es neulich um Pokale und Medaillen – und Lea fragte, ob sie auch einmal eine Medaille gewinnen könne. Praktisch, wenn die „Kinder+Sport Mini Tour 2019“ dann fast vor der Haustür Station macht. Und da jedes teilnehmende Kind eine Überraschung im Ziel erhält, war die Anmeldung selbstverständlich.
Wenn die Tochter den Service macht
Auch, weil das Rennen ein Anlass war, Lea mit dem Laufradfahren vertraut zu machen. Bislang war sie altersgerecht auf einem Pukymoto unterwegs. Das Einstiegsfahrzeug mit drei Rädern ist eine Mischung aus Rutschfahrzeug und Laufrad und für Kinder ab eineinhalb Jahren konzipiert, um erste Balance-Übungen machen zu können und dabei stabil unterwegs zu sein. Der Umstieg auf das Laufrad vor ca. vier Wochen, kurz nach ihrem zweiten Geburtstag, fiel Lea deshalb ziemlich leicht. Seitdem sind sie und ihr neues Gefährt quasi unzertrennlich. „Will Laufrad fahren“ gehört zu ihren Standardsätzen. Auch Servicearbeiten übernimmt sie selbst – oder besser gesagt: zeigt zumindest Willen, es selbst zu versuchen. Ihre erste Aktion war, mit einem Innensechskant-Schlüssel Luft aus dem Reifenventil zu lassen. Und das nicht nur einmal. Nach einigen Versuchen war das Ventil an ihrem Puky-Laufrad natürlich kaputt und ich musste das Ergebnis ausbaden. Den Schlauchwechsel mit anschließendem Aufpumpen hat sie lieber Papa überlassen. Zwei Tage vor dem Rennen passierte dann auch der erste Sturz – blutendes Knie inklusive. Meine Befürchtung, dass sie jetzt keine Lust mehr aufs Laufradfahren hat, war jedoch unbegründet. Pflaster drauf und weiter. Sogar in die Krippe sollte das Laufrad jetzt mit. Ob ihre aktuelle Zurückhaltung vielleicht Spätfolge des Sturzes ist? Mir bleibt zum Glück nicht mehr viel Zeit zum Grübeln. Als Eltern macht man sich sowieso viel zu viele Gedanken. Die Kinder wissen schon, was sie wollen und gehen ihren Weg.
Der Kampf um die Plätze
Angekommen in der Göttinger Innenstadt parken meine Frau und ich unsere Räder. Lea springt gleich aus dem Anhänger und auf ihr Laufrad. Ich muss sie einbremsen und führe sie entlang der Strecke zum Treffpunkt des Kinderlaufradrennens. Obwohl wir überpünktlich sind, stehen wir ziemlich weit hinten in der Warteschlange – besser gesagt an letzter Position. Die ersten scheinen trotz der brütenden Spätsommersonne gefühlt schon seit Stunden da zu sein, um sich die besten Plätze zu sichern. 60 Kinder nehmen heute an dem Rennen teil. Eine hohe Resonanz, über die sich der Veranstalter freut, für mich aber wenig überraschend ist. Göttingen ist eine Fahrradstadt und hat eine aktive Vereinsarbeit. Radsport wird hier großgeschrieben. Als die Abgrenzung geöffnet wird, um die Kinder und ihre Begleitpersonen auf die Strecke zu lassen, beginnt gleich das Gedrängel um den besten Startplatz in der ersten Reihe. Lea und ich sehen das entspannt. Ambitionen auf den „Sieg“ haben wir nicht. Uns geht es um den Spaß. Wir suchen uns daher einen Platz in den hinteren Reihen. Lea ist immer noch verhältnismäßig ruhig. Sie schaut sich interessiert um und hat einen gewissen Respekt vor dem Tour-Teufel, der an der Strecke unterwegs ist, um die Kinder zu animieren. Als Jens Voigt, Schirmherr der Veranstaltung, bekanntgibt, dass es vier Rennen mit je 15 Teilnehmern geben wird und so jedes Kind die Möglichkeit erhält, vorne zu starten, spürt man direkt das kollektiv-erleichterte Aufatmen der ambitionierten Eltern. Der ehemalige Radprofi ist Vater von sechs Kindern und das Vermitteln von Freude an Bewegung ist für ihn eine Herzensangelegenheit. (Mehr dazu im Interview). Da wir erst im letzten Rennen starten werden, macht Lea erst mal Brotzeit.
Als fahrradaffiner Vater lasse ich in der Zwischenzeit meinen Blick über die Fahrzeuge der Konkurrenten kreisen. Die Puky-Quote ist auffällig hoch. Lea sticht mit ihrem neuen grünen Puky-Laufrad „LR 1 L Br“ dennoch aus der Masse heraus, denn viele der Räder sind augenscheinlich bereits in mehreren Generationen im Einsatz. Die qualitativ hochwertigen Laufräder haben einfach eine lange Haltbarkeit, was ich gerade unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sehr gut finde. Auch unser Laufrad wird sicherlich an die kleine Schwester weitergegeben, bevor es den Weg zu weiteren Verwandten und Bekannten macht. Positiv finde ich zudem, dass die Kinder behelmt fahren müssen. So wird ihnen gleich auf spielerische und selbstverständliche Art ein Sicherheitsmerkmal mit auf den Weg gegeben, an das sich auch so manches Elternteil halten sollte. Passend zum Laufrad trägt Lea deshalb einen grünen Abus-Helm und ein Vaude-Shirt mit der Aufschrift „Green Rebel“. Am Material liegt es schon mal nicht, wenn sie nicht den Sieg davonträgt, denke ich amüsiert.
Das 100 Meter Solo
Das erste Rennen wird in der Zwischenzeit gestartet. Die Kinder geben ordentlich Gas und haben die 100 Meter in nur wenigen Sekunden absolviert. Lea schaut fasziniert zu und ist von der tollen Atmosphäre auch etwas angesteckt – das ist zumindest mein Eindruck. Nachdem auch Rennen zwei und drei schnell über die Bühne gingen, nehmen wir unsere Startposition ein. Lea will bereits vor dem eigentlichen Startsignal loslegen, wird aber von mir zurückgehalten. Der gescheiterte Frühstart scheint sie komplett aus dem Konzept zu bringen. Nachdem Jens Voigt die Strecke freigibt und alle anderen Kinder loslegen, steht meine Tochter wie angewurzelt auf der Startlinie. Die Kinder rasen in wilder Fahrt die 100 Meter entlang und erst als die ersten bereits die Ziellinie erreichen, rollt Lea langsam los. Flankiert von der Radsportlegende Jens Voigt und mir geht es im gemächlichen Tempo die Strecke entlang. Sie genießt ihre 100 Meter – und die Zuschauer würdigen ihren Auftritt. Lea wird frenetisch unterstützt – ähnlich wie später die Profis, die ebenfalls durch den Zielbogen rollen. Die Letzte, alleine auf der Strecke. 100 Meter für die persönliche Ewigkeit. Ob sie diesen Triumphzug so geplant hat, wird für immer ihr Geheimnis bleiben. Zutrauen würde ich es ihr sogar. In ihrem Tempo rollt sie bis zur Ziellinie, wo sie mit strahlenden Augen unter dem Applaus der gut 100 Zuschauer ihre Medaille in Empfang nimmt. Da schlägt das Herz der Tochter höher – und auch der Vater ist gerührt.
Stärkung muss sein
Nach so viel Anstrengung muss erst einmal ein großer Schluck getrunken und die Knabberbox geleert werden. Auch eine Umarmung von Mama darf natürlich nicht fehlen. Am Stand des Tuspo Weende, des größten hiesigen Radsportvereins, gibt es noch zwei Waffeln zur Stärkung. Die Medaille wird nicht mehr abgenommen, obwohl das Band viel zu lang ist und sie deshalb eigentlich störend zwischen den Beinen baumelt. Das ist zweitrangig, genauso wie die Ankunft der Profifahrer, die vollends ins Hintertreffen gerät. Anschließend beladen wir unseren Anhänger wieder und holen unsere Räder. Auf dem Nachhauseweg wird jetzt gequasselt ohne Pause. Müdigkeit und vielleicht auch ein bisschen Angst sind verflogen. Der Stolz überwiegt. Gefragt nach ihrem Essenswunsch kommt die direkte Antwort: „Papa, nach dem Rennen muss man Nudeln essen.“ Diese Radsportler-Weisheit scheint sie bereits nach ihrem ersten Rennen verinnerlicht zu haben.
*Name von der Redaktion geändert
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